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Finn Juhl, der Revolutionär

Evolution statt Revolution – diesem Credo folgte das dänische Möbeldesign zu Beginn des 20. Bis der junge Architekt und Designer Finn Juhl mit seinen provokanten Entwürfen die Szene aufmischte.

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01-2020 / Inspiration

Beinahe wäre die Revolution ausgefallen: Finn Juhl wollte eigentlich Kunsthistoriker werden, vor allem die abstrakten plastischen Werke von Henry Moore, Hans Arp, Barbara Hepworth und Erik Thommesen faszinierten den jungen Kaufmannssohn. Sein Vater überredete ihn, stattdessen Architektur an der Königlich Dänischen Kunstakademie zu studieren, vielleicht weil dies ein sichereres Einkommen versprach.

Von 1930 bis 1934 besuchte Juhl die Akademie, beendete das Studium jedoch ohne Abschluss. Noch während seines Studiums begann er für den führenden Architekten der dänischen Moderne, Vilhelm Lauritzen, zu arbeiten, wo er spannende Projekte, die oft auch die Inneneinrichtung umfassten, realisieren konnte.

 

Bereits ab 1937 begann Finn Juhl zusammen mit dem Kunsttischler Niels Vodder erste Stuhlentwürfe zu verwirklichen. Das dänische Möbeldesign dieser Zeit war geprägt von den Ideen Kaare Klints, der im Sinne der Neuen Sachlichkeit für eine klare und geradlinige Formensprache plädierte. Möbel wurden funktional gestaltet, die Linienführung war geradlinig und das Material, meist nordische Harthölzer, zeigte allzu kühnen Formen die Grenzen auf. Die Kunsttischler legten großen Wert auf die Sichtbarkeit der Konstruktionen. So konnte man die raffinierten Verbindungen und die kühne Statik besser bewundern. Kein Wunder, dass diese Konzentration auf Zweckmäßigkeit wenig Revolutionäres hervorbrachte und den jungen Finn Juhl herausforderte, diese bis dahin unangefochtenen Grenzen zu überschreiten.

Der Grasshopper Chair von 1938 zeigt Finn Juhls Vorliebe für skulpturale Formen. Die Armlehnen sind wie die Sprungbeine des Insekts aufgestellt.

Den Schreibtisch Nyhavn entwarf der Designer für sein erstes eigenes Studio. Der FJ46 Chair ergänzt ihn hier zu einem zeitlos modernen Arbeitsplatz.

Einer seiner ersten Entwürfe, der Pelican Chair, ist heute wohl einer seiner bekanntesten. Als er 1940 auf der Kopenhagener Kunsttischlermesse vorgestellt wurde, waren die Reaktionen geteilt. Wer den Entwurf vor Augen hat, ahnt, was Fachwelt und Publikum provozierte: Der dick gepolsterte Stuhl mit weichen, organischen Formen, schwer und raumgreifend, war ein radikaler Bruch mit der vorherrschenden Ästhetik. Juhl entwarf keine modernen Versionen bekannter Möbel, sondern setzte mit fast kindlicher Unbefangenheit auf skulpturale, abstrakte und doch organische Formen. Indem er sich auf die Tierwelt bezog, befreite sich Juhl von den Zwängen des Kunsthandwerks und ließ Inspirationen aus der bildenden Kunst in sein Design einfließen. Bereits der Grashüpfer-Stuhl von 1938, dessen hochgezogene Armlehnen an die Sprungbeine des Insekts erinnern, nahm diese Experimentierfreude vorweg.

 

1941 folgte das recht geradlinige Poet Sofa (FJ41), ein Zweisitzer, auf dem zwei Personen durch die sanfte Rundung der Rückenlehne leicht zugeneigt zueinander sitzen. Ein komfortabler Platz für eine freundschaftliche Unterhaltung, nicht zu formell, nicht zu intim. Ein eher versöhnlicher Entwurf, dessen Form immer noch sehr selbstbewusst wirkte, aber weniger polarisierte.

 

Es folgte eine produktive Phase mit zahlreichen Entwürfen, die Juhls Vorliebe für organische Formen und schwebende Konstruktionen kunstvoll unter Beweis stellten. Der Bone Chair (FJ44) gilt als persönlicher Lieblingsentwurf des Designers. Seinen Namen erhielt er, weil seine geschwungene Form, die eine höchst aufwändige Produktion verlangte, wie ein natürlich gewachsene Stützstruktur erschien. Genial und selbstverständlich wie ein Skelett, das dem Körper Halt und Beweglichkeit verleiht.

 

Für sein erstes eigenes Designbüro in Kopenhagen entwarf er 1945 den wunderbar grazilen Schreibtisch Nyhavn (BO69). Eine hölzerne Arbeitsplatte ruht auf einem Gestell aus oxidiertem Stahl, dessen vier schlanke Beine in Holzfüßen enden. Später entwarf er für diesen Tisch ein ikonisches Schubladenelement. Die Schubladen sind mit verschiedenfarbigen Fronten versehen, und der Kasten hängt wie frei schwebend unter der Tischplatte.

Der Bone Chair von 1944 gilt als persönlicher Lieblingsentwurf Finn Juhls. Seine geschwungene, organische Form wirkt wie natürlich gewachsen.

Ein weiterer Meilenstein ist der Stuhl FJ45, bei dem Juhl und Vodder eine konstruktive und optische Trennung von Polsterauflage und der tragenden Konstruktion verwirklichten. Der Stuhl konnte damals, wie die meisten seiner Entwürfe, nur handgefertigt werden. Das charakteristische Teakholz, das heute so selbstverständlich für skandinavisches Design steht, war erst seit dem zweiten Weltkrieg erschwinglich und in ausreichenden Mengen verfügbar. Für die Truppenbewegungen auf den Philippinen im Krieg zwischen Japan und den USA wurden große Flächen des wertvollen Holzes abgeholzt. Der Grund für den Export war schrecklich, aber die Möbeldesigner erkannten schnell die Qualitäten des Materials: Das exotische Holz ist extrem hart und besticht durch eine schöne Maserung und eine natürliche dunkle Färbung.

 

Mit einer wohlwollenden Veröffentlichung im amerikanischen Interior Design Magazin „Interiors“ 1948 begann der große Erfolg des dänischen Designers in den USA. Baker Furniture produzierte ab 1951 24 exklusive Entwürfe von Finn Juhl, die für die industrielle Fertigung geeignet waren. Allerdings erst, nachdem sich der Designer vor Ort von den hohen Qualitätsstandards überzeugt hatte. Diese Zusammenarbeit und die damit verbundene erhöhte Sichtbarkeit öffnete dem dänischen Design die Tür zum amerikanischen Markt und verhalf ihm zu der Bedeutung, die es heute in der Geschichte hat.

 

Ab den späten 60er Jahren endete zunächst der große Erfolg des Designers, neue Materialien und Ideen entsprachen mehr dem aktuellen Zeitgeist. Eine Demokratisierung im Möbeldesign durch günstigere Produktionsmethoden bekam in der öffentlichen Wahrnehmung ein größeres Gewicht. Es gehört zum Zyklus eines Klassiker auch einfach dazu, wiederentdeckt zu werden. Bei Finn Juhl geschah dies bereits in den 1990er Jahren. Originalstücke erzielten auf Auktionen unglaubliche Preise – ein originaler Pelican Chair wechselte 2002 für stolze 57.000 Dollar den Besitzer.

 

Heute stellt niemand mehr die Bedeutung seiner Entwürfe in Frage, die in den Sammlungen der renommiertesten Designmuseen der Welt zu finden sind. Seit den 2000er Jahren hat der Hersteller House of Finn Juhl damit begonnen, die Entwürfe neu aufzulegen. Die Originale waren Unikate, die nicht unbedingt hundertprozentig der Entwurfszeichnung entsprachen. Die Möbel trugen im Detail immer die individuelle Handschrift des ausführenden Kunsttischlers. Die Herausforderung besteht heute darin, die ursprüngliche Idee des Designers zu verstehen und sie im besten Sinne für die Gestaltung und Produktion weiterzuspielen. Die Produktion findet überwiegend in Dänemark statt, um die Tradition zu wahren und die Ansprüche an Qualität und Langlebigkeit zu gewährleisten. Viele Polsterarbeiten werden nach wie vor in reiner Handarbeit ausgeführt, wobei die Herstellung der anspruchsvollen Holzkonstruktionen im digitalen Zeitalter durch moderne Technik noch präziser erfolgen kann.

 

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Finn Juhl auf dem Chieftain Chair mit dem Familienhund Bonnie (links). Der Hersteller House of Finn Juhl lässt die Polsterarbeiten in Dänemark ausführen (Mitte). Das Baker Sofa von 1951 war das erste Ergebnis der Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Hersteller Baker Furniture (rechts).

FOTOS: © House of Finn Juhl
TEXT: © Falkenberg